Das Erste als App?! 

– Sollten öffentlich-rechtliche Plattformen entwickelt werden?

Wir alle nutzen soziale Netzwerke täglich. Und mit Sicherheit haben wir auch alle bereits zu genüge über potentielle Bereicherungen und mögliche Gefahren von Instagram, TikTok, X und Co. diskutiert. Wir wissen um die Vor- und Nachteile, um die Art der Kommunikation, vor allem aber um die neuesten Trends. Denn auf Social Media lässt sich nahezu alles Erdenkliche finden: von lustigen Memes zu Lifecoaching, von fragwürdigen Behauptungen bis hin zu seriöser Berichterstattung. Doch gerade letztere kommt in der digitalen Medienlandschaft häufig zu kurz. Daher spielen öffentlich-rechtliche Anbieter schon länger mit dem Gedanken, eine eigene Plattform im Internet zu entwickeln. Die Idee: seriöser Journalismus, der Ausgewogenheit und Neutralität garantiert, wobei eine respektvolle Kommunikation der User*innen untereinander stattfinden soll. Handelt es sich hierbei um einen genialen Einfall oder hört sich das Ganze doch bloß zu schön an, um wahr zu sein? Im folgenden Artikel werden einige Pros und Kontras betrachtet.

Zunächst einmal stellt sich die Frage, ob ein solches Vorhaben überhaupt politisch durchsetzbar wäre. Einen toleranten Umgang miteinander ohne Hasskommentare, Beleidigungen oder Fake News wünscht sich wohl jede*r – sowohl auf der Straße als auch im Netz. Aber wie sollte man dies kontrollieren und ggf. regulieren? Gleichzeitig aber möglichst inklusiv und multiperspektivisch in der Berichterstattung bzw. dem Austausch der Nutzer*innen selbst sein? Wo liegt die Balance? Welcher Kompromiss ließe sich hier finden? Selbstverständlich kann man Regeln vorschreiben. Man kann sie allerdings niemandem „aufzwingen“. Ob man sich an solche Richtlinien hält oder eben nicht, ist letztendlich dem Individuum selbst überlassen. Und erfahrungsgemäß wissen wir alle von bereits existenten Social Media Plattformen nur zu gut, dass weder Algorithmen noch Justiz annähernd damit hinterherkommen, Hate Speech einzudämmen. Zudem stellt sich noch die Frage, ob es überhaupt legitim wäre, durch Regulierungen streng genommen eine Einschränkung der Meinungs- oder Pressefreiheit in Kauf zu nehmen.

Dennoch ist die Präsenz seriöser Nachrichten und qualitativ hochwertigen Journalismus im Internet zweifellos sehr wichtig. Gerade jüngere Menschen nutzen zur Eigeninformation zunehmend häufiger digitale Medien, allen voran das Internet. So hat bereits der Sozialwissenschaftler Jürgen Habermas in seinem Buch „Ein neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit und die deliberative Politik“ (2022) festgestellt, dass der Medienkonsum sich durch fortschreitende Digitalisierung ändert und durch das Internet ein neuer Kommunikationsraum entsteht. Um also eine weitere Zielgruppe zu erschließen und möglichst vielen Menschen seriöse Informationen bereitzustellen, ist es für öffentlich-rechtliche Formate durchaus sinnvoll, eine Internet-Plattform zu entwickeln. So könnte durch das „Mitreden“ jüngerer Generationen über das Internet die Partizipation der Bürger*innen im öffentlichen Diskurs maximiert werden.

Weiter berücksichtigen sollte man allerdings auch, dass ein neues Format wie eine eigene Plattform ebenfalls mit Mehrkosten verbunden ist. Den öffentlich-rechtlichen Medien steht nur eine bestimmte Summe an Geld zur Verfügung – nämlich jene, welche sie durch die Rundfunkgebühren von den Bürger*innen erhalten. Online Redakteur*innen der öffentlich-rechtlichen Sender klagen jedoch bereits jetzt über eine geringere Bezahlung als dies z.B. bei Fernsehredakteur*innen der Fall ist. Durch den zusätzlichen finanziellen Bedarf einer eigenen Plattform könnten daher die Gehälter der Journalist*innen oder die Qualität der Beiträge leiden, da mehr Arbeit mit gleich viel Geld erledigt werden müsste. Oder aber man erhöht die Rundfunkgebühren, um mehr Geld einzunehmen, was sicherlich eine weitere Kontroverse anstoßen würde. Jedenfalls besteht die Gefahr, dass der endgültige Nutzen einer öffentlich-rechtlichen Plattform ihren Kosten unterliegt.

Dem ist aber trotzdem ein entscheidender Vorteil entgegenzubringen. Während TikTok, Instagram, etc. von privaten Konzernen geführt werden, wäre eine öffentlich-rechtliche Plattform in staatlichem Besitz. Stark vereinfacht bedeutet dies, dass wir alle ein Stück weit bzw. das Volk als Ganzes im Besitz solch‘ einer Plattform wäre. Auf diese Weise wird eine Kommerzialisierung der neuen App oder Website umgangen und sie wäre nicht an Einschränkungen, Richtlinien oder Nutzungsbedingungen mächtiger Monopole gebunden. Denn auch Habermas hat schon erkannt, dass Unternehmen neu entstandene Kommunikationsräume wie das Internet zu ihrem eigenen finanziellen Vorteil nutzen. Dieses Risiko würde man also umgehen.

Vielmehr würde eine digitale Plattform in staatlicher Hand den Zugang zu wahren Informationen und verlässlichem Journalismus erleichtern. Das wiederum würde ganz allgemein zu mehr Transparenz in unserer Gesellschaft führen, dadurch dass alle Zugang zu seriöser Berichterstattung erhielten. Außerdem könnten Nachrichten so möglichst neutral übermittelt werden. Zum einen wären die Redakteur*innen beim Erstellen von Inhalten nicht dem Algorithmus bekannter Internet-Plattformen ausgeliefert und so von den Klickzahlen eines Beitrags abhängig. Zum anderen wären wir als Nutzer*innen nicht mehr Opfer der sogenannten „Echokammerbildung“. Diesen Effekt kennen wir alle: Sehen wir uns auch nur ein lustiges Katzenvideo an, ist unsere For-You-Page künftig überfüllt mit Katzen und irgendwann sehen wir fast ausschließlich faule, aber sehr süße, flauschige Kreaturen. Ohne den Effekt der Echokammer hätten wir einen deutlich ausgewogeneren Zugang zu Informationen und könnten uns eine viel fundiertere, reflektiertere eigene Meinung bilden, was schließlich unentbehrlich für den Erhalt unserer Demokratie ist.

Ob öffentlich-rechtliche Plattformen nun entwickelt werden sollten oder nicht, ist keine einfache Frage, die man pauschal beantworten kann. Es bliebe nach wie vor die Problematik der Effizienz einer solchen Plattform. Vielleicht würde sich herausstellen, dass sie keinen weiteren Nutzen mit sich brächte.

Ich persönlich bin aber auch der Meinung, dass sich durch ein solches Netzwerk die Chance zur Stärkung der Demokratie ergeben könnte, gerade durch eine erhöhte Transparenz der Informationen und damit auch durch eine verbesserte Meinungsbildung. Immerhin stellen Falschinformationen, Unwissenheit und gefährliches Halbwissen eine immer größer werdende Bedrohung für unsere demokratische Grundordnung dar. 

Am Ende lässt sich ein eindeutiges Urteil wahrscheinlich jedoch erst nach dem praktischen Test einer öffentlich-rechtlichen Plattform fällen. Was meint ihr?

Erörterung von Selina Wirz, Jg. 12

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