Die verheerenden Folgen: Wenn Polenböller explodieren – gleicht Kriegsverletzungen

Delmenhorst – 15 Uhr in der langweiligen Kleinstadt. Und dennoch, ein lautes Knallen und
erschrockene Gesichter spiegeln sich in der Mimik der Reisenden des sich mit Rauch füllen-
den Delmenhorster Bahnhofs. Beinahe wär das Herz in die Hose gerutscht, in der Stadt, die
zurzeit wohl das schlechteste Image angesichts der Kriminalitätsrate hat. Warum greifen die
örtlichen Behörden nicht in den Missbrauch von Feuerwerkskörpern ein? Und viel wichti-
ger: Wie weit soll es noch kommen?
Laut Polizei handelt es sich um mehrere Feuerwerkskörper der regulierten F-3-Kategorie,
die aus Polen stammen (Polenböller). Diese verursachen am 24.10.2023 im Bahnhof nicht
nur laute Knalle, die uns Passanten einen Schritt näher an die Altersschwerhörigkeit brin-
gen, sondern stellen durchaus eine große Verletzungsgefahr dar. Innerhalb weniger Sekun-
den wurde die Straftat von Delmenhorster Bürgern ausgeführt, viel zu schnell, um richtig
wahrnehmen zu können, was überhaupt passiert ist.
Besonders ist von der Situation ein sprachloses Paar betroffen, welches lediglich den Bahn-
hof passieren wollte. Die junge Frau berichtet von ihren Eindrücken in einem Schockzu-
stand: „Erst sehe ich wie eine Gruppe von Teenagern durch den Bahnhof rennt, dabei halten
sich die meisten die Ohren zu, und dann hört man die Knalle.“ Völlig perplex führt diese
aus, wie erschrocken sie ist. „Ich hab garnicht verstanden was los war und dachte ich würde
gleich schon das Licht sehen“ – fügt der junge Mann seinen Kommentar der Aussage seiner
Freundin mit einem Schmunzeln hinzu.
Doch so lustig ist die Situation nicht, denn das Paar sowie weitere Bürger hätten ernsthafte
Verletzungen erleiden können. Die Unfälle durch Böller aus Osteuropa nehmen zum Jahres-
ende wieder zu, obwohl das Zünden dieser lediglich am 31. Dezember und am 01. Januar
gesetzlich zugelassen ist. Auch die bekannte Online – Nachrichtenseite „Die Welt“ legt dar,
dass Polenböller nicht den Sicherheitsstandards entsprechen würden und unter anderem die
Gefahr bestehe, die unkontrollierte Ware könne Fehlzündungen hervorrufen. Außerdem hät-
ten sie eine wesentlich höhere Sprengkraft als hiesige Feuerwerkskörper, und laut der jetzi-
gen aufgewühlten Stimmung und den blassen schockierten Gesichtern der Reisenden, war
das Ausmaß der unerwarteten Knalle wesentlich größer als gedacht.
Genau dieses unvorhersehbare Ausmaß hat nun auch ein 19-Jähriger am 03.11.2023 zu
spüren bekommen, der durch unachtsamen Umgang mit dem Böller, beim Versuch diesen
in der Delmenhorster Innenstadt zu zünden, schwer verletzt wurde. Der Feuerwerkskörper
explodierte in der Hand des Mannes, wie die Polizei mitteilte. Ähnliches Schicksal erlitt
ein Neuntklässler aus der Oberlausitz am 30.12.2022, welcher Teile seiner Hand verlor,
beim Zünden eines Polenböllers. „Pfoten weg von Böllern und Alkohol“ appelliert der14-Jährige nach seinem Unfall. Er will die Menschen und vor allem Jugendliche in seinem
Alter auf die Gefahren hin sensibilisieren und aufmerksam machen. Leider wurde durch
den Vorfall im Bahnhofinneren wieder deutlich, dass nicht jeder so aufgeklärt und mit
Achtsamkeit an den Gebrauch von Feuerwerkkörpern herangeht, wie man am 24.10.2023
in Erfahrung bringt.
In Deutschland stellt jedweder Umgang mit sogenannten Polenböller ein Verstoß gegen das
Sprengstoffgesetz dar. Nach § 40 Sprengstoffgesetz kann es zu Geldstrafen oder sogar zu
Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren kommen. Die Täter sind Vorort geflohen, sodass die
Polizei auf Zeugenaussagen und Überwachungsvideos zurückgreifen muss, um gegen die
jungen Männer vorgehen zu können. Vermutlich werden die Grenzübergänge nach Polen so-
wie Tschechien nicht achtsam genug überwacht, um eine vollständige Sicherheit deutscher
Bürger gewährleisten zu können.
Zurück zum Tatort – keine Verletzte. Zumindest etwas Positives an diesem Nachmittag.
Der Geruch des Feuerwerkkörpers sticht in die Nasen der Passierenden, nur noch Überreste
der Böller sind zu finden. Eine Seniorin äußert sich zu dem Vorfall: „Ich bin ja schon alt, ich
kann garnicht so schnell reagieren. Ich wollte lediglich mein Ticket ziehen und auf einmal
dieser Schrecken.“ Es sei zu dieser Zeit wohl nicht anders zu erwarten, fügt sie hinzu. Die
Anspielung auf die steigende Kriminalität kam einem nicht unbekannt vor. „Solchem be-
gegne ich jeden zweiten Tag, mittlerweile wundert mich gar nichts mehr.“
Auch die Krankenhäuser bereiten sich langsam auf die Saison der „Unfälle durch illegale
Böller“ vor. Das Gesundheitssystem sei jedes Jahr überlastet. Gerade wenn es um das Auf-
merksam machen auf die Gefahren der Feuerwerkskörper geht, sprich ein Bewusstsein in
der heutigen Generation entstehen zu lassen, mangelt es an Aufklärung. „Böllerverletzungen
sind wie Kriegsverletzungen.“ – Adrian Dragu, Direktor für Plastische- und Handchirurgie
am Uniklinikum Dresden. Daraus lässt sich ableiten, jeder dieser leicht vermeidbaren Un-
fälle ist einer zu viel. Deshalb soll der Einsatz von Feuerwerksartikeln unbedingt einge-
schränkt werden, obgleich die Aktion glimpflich ausgegangen ist.
Man verlässt den Delmenhorster Bahnhof mit sowohl einem Glücksgefühl, man ist unver-
sehrt und wohl, als auch mit dem Gedanken im Hinterkopf, in jedem darauffolgendem Mo-
ment könnte ein weiterer Polenböller hinter einem gezündet werden. Glück im Unglück. Die
ständige Angst um die eigene Sicherheit, auch in so öffentlichen Bereichen wie dem Bahn-
hof, oder der Innenstadt, sind im Delmenhorster Alltag jedoch berechtigt. Dass die Stadt ein
Problem mit Straffälligkeiten hat, ist kein Geheimnis. Nun wird es Zeit, dass die öffentli-
chen Behörden eingeschaltet werden, denn vermutlich wird es gerade in der bevorstehenden
Winterzeit besonders problematisch, was die Kontrolle der Einhaltung des Sprengstoffgeset-
zes angeht. Die Atmosphäre verbleibt bedrückend und wie die Ruhe nach dem Sturm ist die
Verkehrsstation in Schweigen gehüllt.

Verfasst von Evelin Valiev (Jg. 12)

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