Kultur-Erkundung durch VR amVR-Europatag

Es erscheint ihm, als würde er schweben. Ein großer Raum, zierlich geschmückt, aber mit
prachtvollem Teppich und Gebetsnische. In diesem befindet er sich gerade und ist verblüfft, wie groß
alles erscheint. Um ihn herum erscheinen immer wieder Texte, die das gerade Entdeckte erklären und
weiter ausführen. Sobald er einen neuen Raum betritt, erklärt er den umherstehenden und gespannt
Wartenden jedes einzelne Detail: wie man in den Spiegeln in den Waschräumen die Spiegelung der
Kamera sieht, mit der die Aufnahmen gemacht wurden, die verschiedenen Schilder mit Informationen,
wie „Bitte nur ohne Schuhe betreten“, aber auch die unterschiedlichen Größen der Waschräume von
Männern und Frauen.
Beginnen wir aber doch beim Anfang. Es ist Viertel vor zwei an einem kühlen Herbsttag und ein
Schlüsselbund klingelt laut. Der Professor der Studierenden, welche uns von der Universität Bremen
am 06. November besuchen gekommen sind, begrüßt die erschienenen Schüler und Studenten. 33
sind es, um genau zu sein. Eine zuvor aufgebaute Kamera am Rande des Geschehens filmt alles mit und
Zettel mit dem Ablauf gehen herum. Schon kurz nachdem Grüppchen gebildet wurden, beginnt ein
reger Austausch. Wo kommst du her? Was studierst du? Welche Länder hast du schon einmal besucht?
Übrigens alles auf Englisch. Von einer Studentin erfahre ich später, dass alle „Studis“ Englisch
studieren und deshalb größtenteils Englisch gesprochen wird. Ein zweites Klingeln des
Schlüsselbundes beendet die quer durch die Mensa hallenden Gespräche. Nun dürfen auch endlich die
zuvor eingerichteten VR-Set-Ups in Betrieb genommen werden. VR steht für „Virtual Reality“ oder auf
Deutsch „Virtuelle Realität“, und wie der Begriff bereits vermuten lässt, taucht man bei der Verwendung
eines VR-Set-Ups in eine virtuelle Realität ein. Dabei ist es egal, ob es sich um ein dreidimensionales
Videospiel oder, wie in unserem Fall, um 360°-Bilder zweier Moscheen handelt. Es sieht verrückt aus,
wie sich die „Probanden“ in der Luft herumwälzen, um die einzelnen Details der beiden Moscheen so
vollständig wie nur möglich wahrzunehmen. Während ich das Geschehen weiter beobachte, komme
ich mit einer Studentin ins Gespräch. Sie erklärt mir zunächst, von welchen Moscheen überhaupt die
Rede ist.
Es handelt sich um die Mevlana-Moschee in Delmenhorst und die Mezquita-Catedral de
Córdoba in Spanien, eine ursprüngliche Moschee, umfunktioniert zu einer Kathedrale. Auf dem
Boden, auf dem die Moschee/Kathedrale heute errichtet ist, befand sich bereits zur Zeit der Römer ein
römischer Tempel, dann eine westgotische Kathedrale, welche als einzige nach der Eroberung
Spaniens durch die Araber noch stand. Beide, Muslime und Christen, teilten sich den heiligen Ort, bis
1der Platz für die Muslime nicht mehr ausreichte und sie sich darauf einigten, die Kathedrale den
Muslimen zu überlassen und in neu erbauten Kirchen außerhalb der Stadt zu ziehen.
Als ich ein iPad mit Bildern ausgehändigt bekomme, bin ich erstaunt, wie groß die Unterschiede
tatsächlich sind. Zu sehen sind ein kleines ungeschmücktes Gebäude, vergleichbar mit einem
Vereinshäuschen beim Fußball, und eine riesige Anlage mit goldverkleideten Decken und geschnitzten
Verkleidungen. Neben der Variante mit den Moscheen steht den Schülern auch noch eine mit
spanischen und deutschen Märkten zur Verfügung. Auf Nachfrage, warum dieses Event veranstaltet
würde, erklärt mir der Professor, es solle mithilfe der VR-Brillen eine Annäherung zwischen den
Schülern und europäischer Kultur geschaffen werden und gleichzeitig in Erfahrung gebracht werden,
wie Schüler jene Technik nutzen und mit ihr umgehen. Sie beschäftigen sich bereits seit zwei Jahren
mit dem Projekt und fingen vor einem Monat mit der engeren Vorbereitung für den Besuch an unserer
Schule an. Um 15:00 hört das wirre Herumlaufen allmählich auf. Ein Gruppenaustausch beginnt.
Zusammen bearbeitet jede Gruppe ihr Projekt, um es später vorzustellen. Bei der Befragung eines
Schülers über den zukünftigen Einsatzbereich von VR, antwortet dieser mir, er glaube nicht daran,
dass VR für etwas anderes als Gaming und Kunst Verwendung finden werde. Dafür könne er sich
allerdings AR (Augmented Reality=erweiterte Realität) besonders als Begleitung im Schulunterricht
vorstellen. Beispielsweise im Chemie-Unterricht für virtuelle Experimente.
Ein wenig später sollen Fotos gemacht werden. Die 12 Schüler und Studenten stellen sich auf dem
Schulhof in einem Kreis auf und halten Tafeln mit Sternen in den Händen. Vor ihnen steht eine Drohne
und ein Playmobil-Männchen mit einer Fahne in der Hand. Sobald der Gruppenleiter ein lautes „Jetzt!“
von sich gibt, soll nach und nach jeder sein Schild umdrehen, sodass die Seite mit dem Stern oben
liegt. Im Gesamteindruck entsteht die Europaflagge. Um 15:41 startet der erste Versuch: schiefgelaufen!
Jemand hat seine Tafel zu früh gedreht. Zwei Minuten später schiebt sich die Sonne zwischen den
Wolken hindurch und der zweite Versuch startet: erneut schiefgelaufen! Wieder dasselbe Problem. Um
15:45 der dritte Versuch: schon besser, es hat geklappt! Alle scharen sich um die Aufnahme, um ihr
Werk zu betrachten. Schnell bemerken sie, wie kalt es inzwischen ist und hasten ins Warme. Wenig
später klingelt es zum dritten Mal an diesem Tag und alles deutet darauf hin, dass es weitergeht. Falsch
gedacht! Ein Problem tut sich auf: Der Kaffee fehlt! Schnell jedoch hat sich die Sache geklärt und die
Präsentationen können beginnen. Nach und nach stellt jede Gruppe etwas zu den Unterschieden,
Ähnlichkeiten und Merkmalen der Moscheen und Märkte beider Länder vor und eine kleine
Diskussionsrunde kommt auf. Warum gibt es diese Unterschiede überhaupt?
Kurz vor Schluss sollen alle die Augen einmal schließen. „Überlegt euch: Was waren eure größten
Befürchtungen, aber auch Hoffnungen, als ihr heute hier hergekommen seid?“. Die Augen öffnen sich
wieder. Jeder tauscht sich mit seinen Tischpartnern aus.
Der Tag neigt sich dem Ende zu, die Leinwand erstrahlt wieder wie zu Beginn in einem kräftigen
Blau und auch draußen verlieren sich die Schatten. Ein letztes Klingeln fordert die Schüler und
Studenten zu einem Wortwechsel untereinander auf und beendet somit den Tag. Ob VR tatsächlich
einen Einsatz ähnlich zu dem heutigen finden wird oder ob sich noch ganz andere Techniken
entwickeln, erfahren wir wohl erst, wenn es so weit ist.

Verfasst von Jona Mochow (Jg. 12)

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